Kurzgeschichten

Die Kurzgeschichten von Franky finden Sie bei Keinverlag.de
oder als Textversion bei Keinblick.de

Das Märchen der verlorenen Farben

Es waren einmal ein Regenbogenprinz und eine Prinzessin
namens Rosenquarz.
Die Beiden trennte ein unüberwindbares tiefes Wasser. Die einzige Verbindung war
ein zauberhafter Regenbogen, den die Sonne mit ihren Strahlen zum Leuchten
bringen konnte.

Einmal im Jahr veranstaltet die Prinzessin in ihrem Schloß ein großes Fest.
Dann komm ein alter Fährmann, läßt seine Fähre ins Wasser und bringt den
Regenbogenprinz zur Prinzessin. Die Beiden dürfen sich jedoch nicht berühren,
nur miteinander sprechen. Die Prinzessin bietet dem Prinz
ein Glas Sekt an,
damit stossen die beiden an.
In diesem Getränk ist all' die Liebe und Sehnsucht verborgen, sie kann ins Herz
und in die Seele flüchten. Es ist ein unheimlicher Rausch der Gefühle.
Bei einer körperlichen Berührung würde alles mit
fürchterlichem Getöse
zusammenbrechen und in der Erde verschwinden.
Vor diesem Unglück hatten beide schreckliche Angst. Nur das Wunder von tausend
Sternen könnte die Beiden für immer zusammenbringen.

Einmal, an einem ganz gewöhnlichen Morgen, scheint irgend etwas anders zu laufen.
Die fröhliche Sonne hat ihr Fenster fest verschlossen und der müde Tag kriecht wie ein
trauriger, grauer Schleier von den Bergspitzen ins Tal.
Die Stille der Nacht gähnt aus jedem sonst so munteren Bächlein.
Die stets fröhlichen Vögel haben ihr Morgenkonzert nicht angestimmt,
es fehlt die Lust zu singen und zu musizieren.
Was ist da geschehen? Keine Farben am Himmel und auf den Wiesen und Feldern.
Hat die Natur ihr Augenlicht verloren?
Oder hat da ein Blitz der Traurigkeit eingeschlagen?
Die Notenblätter sind nur weiß, keine einzige Note.
Sogar der kleine grüne Frosch am Teich dreht sein Notenblatt einige Male hin und her;
Er hätte so gerne seiner Geliebten ein Morgenständchen gequakt.
Vor Traurigkeit kollern ihm zwei Tränlein über seine runzligen Wangen.

Der alte Fährmann sieht das und sucht seinen Farbenkübel, da ist auch keine
kleinste Spur von Farbe. Er hat doch gestern den Regenbogenprinz mit der
Fähre nach Hause gebracht, da war alles noch in Ordnung. Es ist dabei alles mit rechten
Dingen zugegangen. Nur der alte Mann weiß wie dieses Glück mit Prinzessin und
Regenbogenprinz zu lösen ist. Da muß ihm eine böse Fee einen Streich gespielt haben.

Die schöne Prinzessin wartet im Schloß, bis die Sonne aufgeht und der Regenbogen
sich wieder über das tiefe Wasser  spannt.
Der Prinz sitzt am Ufer unter einer farblosen Eiche und kann nicht verstehen,
warum die Sonne ihr Fenster heute nich öffnet.
Alles ist still, farblos und traurig.
Der alte Mann strengt seinen Kopf an und sucht nach einer Lösung.
Nur ein Wunder von tausend Sternen kann die Beiden zueinander bringen.
Ohne Licht, Farben und Fröhlichkeit ist das nicht möglich.

Jeder Mensch hat doch einen Schutzengel. Den will er nun rufen!
Der Mann setzt sich auf einen großen Fels und breitet seine Arme aus, als wolle er
davon fliegen. Da erscheinen rechts und links zwei
wunderschöne
Gestalten, die fliegen durch die farblose Luft. Sie setzen sich zu dem Mann
und schreiben ihm etwas in seine Handfläche. Der Mann zieht die Stirne in
Falten und bedankt sich.
Die beiden Engelsgestalten sind rasch wieder verschwunden.

Da, wo der bunte Regenbogen am anderen Ufer seinen Platz hat, hat sich eine böse
Fee einen Streich ausgedacht. Gestern abend, kurz bevor die Sonne ihr Fenster
geschlossen, nahm die böse Fee das eine Ende des Regenbogens und riß
es mit Gewalt aus seiner Verankerung.
Mit ihren schmutzigen krummen Fingern -wie Teufels Krallen-
spulte sie den Regenbogen
auf einen dürren Baumstamm und versteckte ihn unter einen Haufen vertrocknetem Laub.
Dann setzte sie sich auf den Hügel und liess ihre bösen Blicke
über den Himmel schweifen.
„Dass mir da ja keine Sonne hervor kommt!“
Sie hat gestern das Sonnenfenster fest verschlossen und den Schlüssel zu sich genommen.

Der alte Mann hat sich inzwischen in seine Fähre gesetzt
und rudert über das
tiefe Wasser. Als die Hexe das sieht, faucht sie vor Wut, dass sich die
Wasseroberfläche in ein stürmisches Meer verwandelt. Der alte Mann kennt solche
Stürme und lässt sich nicht beeindrucken. Er steuert mit sicherer Hand
das Boot zum anderen Ufer. Dort wird er eine Abrechnung machen.
Je näher er dem Ufer kommt, desto blasser wird das Gesicht der bösen Fee.

Prinz und Prinzessin wissen nichts von diesem Schauspiel.
Sie haben nur große
Sehnsucht im Herzen und tiefe Traurigkeit in ihrer Seele.
Eine Hoffnung, dass
eines Tages der Himmel für sie tausend Sterne über sie
Ausschüttet und der
böse Fluch ein Ende hat.

Der alte Mann ist inzwischen am anderen Ufer angekommen und steigt festen
Schrittes zur bösen Fee auf dem Haufen dürren Laubes.
Er stellt mit lauter
Stimme die Frage: „Wo hast du die Farben dieser Erde versteckt?“
Sie hält sich die Ohren zu und strampelt wie verrückt auf dem Hügel von dürrem Laub.
Sie schreit: „Ich hab nichts! Ich gebe nichts! Verschwinde aus meiner Nähe!“
Da beginnt der Mann mit dem Farbenpinsel in seinen Kübel zu tauchen, und bemalt
das Gesicht der bösen Fee mit Wasser und Erde.
Der Schlamm dringt ihr
in Augen, Nase und Ohren. "Wenn du mir den Schlüssel für das Sonnenfenster nicht
gibst, dann stopfe ich dir das Maul voll, bis du keine Luft mehr bekommst!"
Das versetzt die Hexe in derartige Angst, dass sie den Schlüssel aus ihrem
Versteck hervor kramt und dem alten Mann übergibt.
„Den Regenbogen bekommst du aber nicht, das werde ich nie zulassen,
dass Regenbogenprinz und Rosenquarzprinzessin ein Paar werden.“

Der alte Mann sperrt das Sonnenfenster auf und die Sonne lässt ihre schönsten
Sonnenstrahlen über Wiesen und Felder scheinen. Die Vögel können wieder ihre
fröhlichen Lieder singen und der kleine Frosch hat seine Noten auch wieder
gefunden und quakt nach Herzenslust. Jetzt laufen ihm die
Freudentränen über
die Wangen. Alles wiegt sich wieder in Freude und Glück.

Nur Prinz und Prinzessin sind noch nicht ganz glücklich.
Die Sonnenstrahlen
finden so viele neue Wassertropfen in der Luft und bauen damit einen neuen,
zauberhaften Regenbogen. Der Prinz kann so wieder seine Grüsse zu seiner
Geliebten hinüber schicken. Aber vereint sind sie noch immer nicht.
In einer schlaflosen Nacht legt sich die Prinzessin auf die Wiese und schaut
in den Sternenhimmel. Der Prinz findet auch keinen Schlaf und
Schaut in den
Nachthimmel voller Sterne.
Da huschen zwei wunderschöne Engelsgestalten über das Firmament
und tippen mit ihren zarten Fingern  an einen besonders hellen Stern.
Plötzlich fliegen tausend glitzernde Sterne vom Himmel und lassen das tiefe
Wasser verschwinden. Sie nehmen auch die böse Hexe mit in die Tiefe der Erde.
So können Regenbogenprinz und Rosenquarzprinzessin für immer zusammen in
ein Schloß ziehen und bis an ihr Lebensende ein glückliches
Leben miteinander führen.
Es gehen jede Nacht viele tausend Sterne auf und jeden Tag werden bunte Regenbogen
gebaut, aber das Glück wohnt immer in zwei glücklichen
H E R Z E N.

Weitere Texte,

die auf Franky' Homepage veröffentlicht wurden,
finden Sie in der Kurzgeschichten-Sammlung

Startseite